Zur Wohnsituation Geflüchteter in Deutschland
Viele Geflüchtete wohnen in Deutschland in Unterkünften, die speziell für den vorübergehenden Wohnbedarf geschaffen wurden. Denn die Wahl des Wohnorts ist für Geflüchtete, die asylsuchend sind, nicht frei. Innerhalb von Deutschland werden Asylsuchende nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Dort angekommen, müssen sie bis zu 18 Monate in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen. Anschließend sollen Asylsuchende in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden. Je nach Bundesland ist auch eine Unterbringung in einer Wohnung möglich. Für Geflüchtete aus der Ukraine gelten aufgrund des Beschlusses zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes eines Massenzustroms andere Regeln, die nicht nur eine sofortige Krankenversicherung und den Bezug von Bürgergeld ermöglichen, sondern ihnen auch – zumindest rechtlich – eine weitestgehend freie Wahl des Wohnstandorts ermöglichen.
Eine Befragung von Geflüchteten im Jahr 2016 zeigt, dass 37 Prozent der Befragten, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnten, in einem umgewidmeten Gebäude – wie ehemaligen Bürogebäuden oder ehemaligen Schulen – untergebracht waren. 21 Prozent der Befragten, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnten, waren in Provisorien wie Zelten, Hallen oder Containern untergebracht. Die anderen Befragten wohnten in hotelähnlichen Gebäuden oder sonstigen Gemeinschaftsunterkünften (Baier, Siegert 2018: 4).
Die Zahlen zeigen, dass Geflüchtete in Einrichtungen leben, die nicht dauerhaft fürs Wohnen vorgesehenen sind. Dies ist aus Sicht der räumlichen Planung und somit für mögliche Standorte dieser Unterkünfte von großer Bedeutung. Denn das Wohnen untersteht einem besonderen Schutz, auch vor umweltbedingten Belastungen und deren Bedeutung für die menschliche Gesundheit. So ist dauerhaftes Wohnen in Gewerbegebieten in der Regel nicht zulässig, vorübergehendes Wohnen jedoch schon. Auf der anderen Seite war, vor einer Novelle des Baugesetzes, die Einrichtung von Aufnahme- und Gemeinschaftseinrichtungen in reinen Wohngebieten – zum Schutz des dauerhaften Wohnens – nicht zulässig (siehe auch BMWSB 2024).
Eine Perspektive umweltbezogener Mehrfachbelastung auf Wohnstandorte Geflüchteter
Aufgrund der Bedeutung des Wohnstandorts für Gesundheit und die besondere Wohnsituation Geflüchteter ist es wichtig zu betrachten, an welchen Standorten Aufnahme- und Gemeinschaftsunterkünfte angesiedelt sind und welchen Umweltbelastungen Geflüchtete in dem Sozialraum, in dem sie leben, ausgesetzt sind. Hierzu gibt es derzeit wenig bis keine Forschung.
Um sich dieser Fragestellung explorativ zu nähern, haben wir eine Mehrfachbelastungsanalyse nach dem SUHEI-Modell (Spatial Urban health Equity Indicators Modell, Flacke et al. 2016) für die Stadt Bochum durchgeführt. Bochum wurde aufgrund bestehender verfügbarer Daten und Kontakte aufgrund des Hochschulstandorts gewählt.
Mehrfachbelastungsanalysen werden im Kontext umweltbezogener Verteilungsgerechtigkeit durchgeführt, um aufzuzeigen, ob spezifische Communities einer (Stadt-)Gesellschaft größeren Umweltbelastungen ausgesetzt sind und weniger Zugang zu umweltbezogenen Ressourcen haben als andere Teile der Gesellschaft. Hierzu wird dargestellt, ob ein Teilraum einer Stadt im städtischen Vergleich relativ laut, relativ stark von Hitze betroffen ist oder weniger Zugang zu Grün- und Wasserflächen hat. Diese relative Ungleichheit wird zunächst für jeden betrachteten Indikator einzeln dargestellt, um dann im Hinblick auf die eine Gesamtbelastungssituation in einem einfachen Verfahren aufaddiert zu werden. Die Wahl der Indikatoren kann je nach Fragestellung und Verwendungskontext angepasst werden (zur Methodik siehe Köckler et al. 2020). Ergebnisse dieser Analysen können im kommunalen Kontext genutzt werden, um soziale Ungleichheit bei räumlichen Belastungen bspw. im planerischen Umweltschutz prioritär zu behandeln. Sie können aber auch genutzt werden, um Wohnstandorte spezifischer Gruppen, die sich am Wohnungsmarkt weniger gut behaupten können, privilegiert festzulegen. Hierzu würde neben dem sozialen Wohnungsbau auch die Standortwahl für Geflüchtetenunterkünfte zählen.
In die vorliegende Analyse zur Umweltqualität der Standorte von Geflüchtetenunterkünften in der Stadt Bochum sind entsprechend der Logik des SUHEI-Modells Umweltressourcen, -stressoren und -daten einer vulnerablen Bevölkerungsgruppe eingeflossen (siehe Tabelle 1 im Detail). Als Umweltressourcen sind Grün- und Gewässerflächen eingeflossen, da diese insbesondere in Situationen extremer Hitze eine bedeutende Erholungsfunktion auch im Wohnumfeld haben. Als Belastungsfaktoren sind Hitzeinseln und Lärmbelastung eingeflossen. Hitzeinseln prägen sich für den Fall extremer Temperaturen aus. Eine dauerhafte Belastung mit Lärm hat bspw. ihrerseits Folgen für das Herz-Kreislauf-System oder den Schlaf und ist somit auch aus Sicht einer zusätzlichen Belastung durch Hitze relevant für diese Betrachtung.
Als Sozialindikator wurden angesichts der hier vorliegenden Fragestellung Sammelunterkünfte Geflüchteter kartiert. Diese wurden mit Unterstützung der medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum recherchiert. Eine frei verfügbare Liste von Unterkünften gibt es – auch aus Gründen des Schutzes der Einrichtungen – nicht. Aus den gleichen Gründen sind diese in der Ergebniskarte (siehe Karte 1) nicht standortgenau eingetragen. Die Standorte, die ursprünglich nicht dem Wohnen dienen, werden als Sondernutzungen ausgewiesen und schließen Standorte ein wie: Gewerbegebiete, Klinikgelände, einen Parkplatz / eine Betonfläche oder ein ehemaliges Schulgebäude. Die Auswahl der Standorte erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und entspricht im Wesentlichen dem Stand 2023.