Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet den Klimawandel als „die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit“ (WHO, 2023). Der Klimawandel beeinflusst die menschliche Gesundheit in vielfältiger Weise – zum Beispiel steigt das Risiko für hitzebedingte Erkrankungen, Allergien, Atemwegserkrankungen oder psychische Erkrankungen (vgl. Winkelmayr, 2023; Gebhardt, 2023; Bergmann, 2023; Butsch, 2023). Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels müssen daher bei Maßnahmen der Gesundheitsförderung, des Klimaschutzes und der Klimaanpassung immer mitgedacht werden. Kommunen nehmen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen des Klimawandels eine zentrale Rolle ein: Sie erarbeiten Lösungen für mehr Klimaanpassung und Klimaschutz und setzen diese um (vgl. Umweltbundesamt, 2022).
In diesem Beitrag beleuchtet die Fach- und Vernetzungsstelle Gesundheitsförderung und Klimawandel bei der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAGE) die Rolle der Kommunen bei der Förderung gesundheitlicher Chancengleichheit in Zeiten des Klimawandels. Dabei wird insbesondere auf die Herausforderungen und Möglichkeiten eingegangen, die sich im Umgang mit Bevölkerungsgruppen, wie z. B. Migrantinnen, Migranten und Geflüchteten, ergeben.
Die Rolle der Kommune bei der Förderung gesundheitlicher Chancengleichheit in Zeiten des Klimawandels
Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels treffen vulnerable Gruppen besonders stark: Bestimmte Menschen sind gegenüber akuten Klimaereignissen sehr anfällig, etwa aufgrund ihres Alters, ihres Gesundheitszustands, ihrer Wohnverhältnisse oder ihrer beruflichen Tätigkeit (vgl. Balbus & Malina, 2009; Bolte, Dandolo, Gepp, Hornberg & Lumbi, 2023). Kommunen stehen vor der doppelten Herausforderung, sowohl Klimaschutz zu betreiben und Klimaanpassungsmaßnahmen zu ergreifen als auch sicherzustellen, dass diese Maßnahmen zur Förderung gesundheitlicher Chancengleichheit beitragen.
Kommunen als zentrale Akteure im Klimaschutz und in der Klimaanpassung
Kommunen spielen eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels. Sie sind die Ebene, auf der Klimaschutzmaßnahmen und Klimaanpassungsmaßnahmen konkret umgesetzt werden und auf der direkt auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingegangen werden kann. Dabei geht es nicht nur um technische Maßnahmen wie die Schaffung von Grünflächen oder die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden, sondern auch um die Gestaltung sozialer und gesundheitlicher Angebote, die sich gezielt an vulnerable Gruppen richten (vgl. Umweltbundesamt, 2023). Ein zentrales Handlungsfeld ist die Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen in städtischen Quartieren, die besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Dies betrifft vor allem Gebiete, die durch dichte Bebauung und fehlende Grünflächen besonders hitzeanfällig sind und somit ein Gesundheitsrisiko darstellen.
Gesundheitsförderung für vulnerable Bevölkerungsgruppen
Um gesundheitliche Chancengleichheit zu fördern, müssen Kommunen gezielte Maßnahmen für vulnerable Bevölkerungsgruppen entwickeln und umsetzen. Migrantinnen und Migranten können häufiger von schlechteren Bedingungen betroffen sein, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Dazu gehört unter anderem auch die Wohnsituation (vgl. Mediendienst Integration, 2024). Beengter Wohnraum und schlechte Unterbringungsbedingungen wirken sich, vor allem während der Sommermonate, nachteilig auf den Gesundheitszustand aus. Eine Möglichkeit, diesen Risiken zu begegnen, besteht in der Schaffung von „kühlen Räumen“ in Gemeinschaftseinrichtungen, die in besonders heißen Sommermonaten als Rückzugsorte genutzt werden können. Zusätzlich tragen mehrsprachige Informationskampagnen dazu bei, das Bewusstsein für die Risiken von Hitze und für präventive Maßnahmen zu schärfen. Finanzielle Unterstützungsprogramme für den Erwerb von Kühlsystemen oder zur Deckung zusätzlicher Kosten sind notwendig, um diesen Gruppen effektiv zu helfen.
Integrierte Strategien für kommunale Gesundheitsförderung und Klimaanpassung
Ein strategisches Vorgehen ist aus Sicht der Gesundheitsförderung unerlässlich. Integrierte kommunale Strategien der Gesundheitsförderung beziehen sich auf die inter- und transdisziplinäre systematische Planung und Durchführung von Maßnahmen unter Anwendung theoretischer Modelle und Strategien. Der Fokus liegt hierbei insbesondere darauf, die „gesundheitlichen Chancen für Menschen in sozioökonomischen Risikolagen zu erhöhen“ (Deutsches Institut für Urbanistik, 2018, S. 8). Integrierte kommunale Strategien, die Gesundheitsförderung, soziale Gerechtigkeit und Klimaanpassung miteinander verbinden, können Synergien schaffen, die allen Bevölkerungsgruppen zugutekommen. Kommunen sollten ihre bestehenden Strategien überprüfen und an die Herausforderungen des Klimawandels anpassen oder neue Strategien entwickeln, die sowohl Klimaanpassung als auch Gesundheitsförderung berücksichtigen.
Hitzeaktionspläne als Instrument zur Förderung gesundheitlicher Chancengleichheit
Ein Beispiel für eine wirksame kommunale Maßnahme sind Hitzeaktionspläne, die den Ansatz der Gesundheitsförderung berücksichtigen. Hitze kann bestehende gesundheitliche Ungleichheiten verstärken, da sozial und ökonomisch benachteiligte Gruppen häufiger unter schlechteren Lebens- und Arbeitsbedingungen leiden und weniger Zugang zu Schutzmaßnahmen haben. Dies führt dazu, dass sie überproportional von den negativen gesundheitlichen Folgen von Hitzewellen betroffen sind (vgl. Winkelmayr, 2023; Bolte et al., 2023). Hitzeaktionspläne sollten gezielt Maßnahmen integrieren, um bestehende gesundheitliche Ungleichheiten zu verringern und die Lebensqualität für alle zu verbessern (siehe Hessischer Hitzeaktionsplan).
Bei der Entwicklung von Hitzeaktionsplänen sind aus Sicht der Gesundheitsförderung (vgl. WHO, 1986) daher folgende Punkte besonders hervorzuheben:
- Partizipation (inklusive Einwohner- und Einwohnerinnenbeteiligung): Die aktive Beteiligung der Bevölkerung und relevanter Interessengruppen ist entscheidend, um sicherzustellen, dass der Plan den tatsächlichen Bedürfnissen entspricht. Workshops und Befragungen helfen dabei, Feedback und Vorschläge von Betroffenen zu sammeln. Die Betroffenen lassen sich in ihren Lebenswelten oftmals am besten über Multiplikatorinnen und Multiplikatoren erreichen.
- Empowerment: Menschen sollten befähigt werden, selbst Maßnahmen zum Schutz vor Hitze zu ergreifen, z. B. durch Informationen über die Bedeutung von ausreichender Flüssigkeitszufuhr und angemessenem Verhalten bei hohen Temperaturen.
- Intersektorale Zusammenarbeit: Der Hitzeaktionsplan sollte sektorübergreifend entwickelt werden. Einzubeziehen sind die Kommunalverwaltung (Bereiche Gesundheit, Umwelt/Klimaanpassung, Stadtplanung und Soziales), Fachstellen und Beiräte, Institutionen der Gesundheitsversorgung und der Pflege, Sozialdienste, Beratungsstellen, ehrenamtliche Einrichtungen, Hilfsorganisationen, Schulen und Kindergärten sowie andere relevante Akteurinnen und Akteure, um alle möglichen Gesundheitsdeterminanten zu berücksichtigen.
Die Fach- und Vernetzungsstelle Gesundheitsförderung und Klimawandel unterstützt hessische Akteurinnen und Akteure dabei, den Aspekt der Gesundheitsförderung konkret in Lösungen und Maßnahmen zur Klimaanpassung zu integrieren. Ein Beispiel hierfür ist der Workshop „Im Fokus: Gesundheitsförderung und Hitzeaktionsplan zusammendenken“, der die Bedeutung von Partizipation, gesundheitlicher Chancengleichheit und dem Setting-Ansatz bei der Erstellung kommunaler Hitzeaktionspläne aufzeigte.
Die Bedeutung von Partizipation und Empowerment
Partizipation und Empowerment sind wichtige Aspekte kommunaler Gesundheitsförderung (vgl. WHO, 1986). Es gilt, betroffene Bevölkerungsgruppen grundsätzlich in die Planung und Umsetzung von Maßnahmen einzubeziehen. Dies stärkt nicht nur die Akzeptanz und Wirksamkeit der Maßnahmen, sondern fördert auch das Empowerment der betroffenen Personengruppen. Partizipative Ansätze, bei denen Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchtete aktiv in die Gestaltung ihrer Lebenswelt eingebunden werden, tragen dazu bei, Barrieren abzubauen und die Resilienz gegenüber den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels zu erhöhen. Ein Beispiel hierfür ist die Einbindung in die Gestaltung von Nachbarschaftsgärten oder urbanen Grünflächen, die nicht nur als Erholungsorte dienen, sondern auch das Mikroklima verbessern. Indem Kommunen solche Projekte durch kommunale Förderprogramme unterstützen, bieten sie zudem Möglichkeiten zur sozialen Integration und zum interkulturellen Austausch. Die eigene Mitgestaltung der grünen Wohnumgebung ist identifikationsstiftend für die Bewohnerinnen und Bewohner (vgl. Brückner et al., 2016, S. 128–136).
Kooperation und Vernetzung auf kommunaler Ebene
Die erfolgreiche Bewältigung der gesundheitlichen Herausforderungen des Klimawandels erfordert eine enge Kooperation und Vernetzung auf kommunaler Ebene. Gesundheitsämter, Umweltämter, Sozialdienste und zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure müssen gemeinsam an Lösungen arbeiten, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Migrantinnen und Migranten und anderer vulnerabler Gruppen abgestimmt sind.
Ein intersektoraler Ansatz, der Gesundheitsförderung, soziale Gerechtigkeit und Klimaanpassung miteinander verknüpft, ist hierbei entscheidend. Die Einrichtung von kommunalen Netzwerken, in denen Akteurinnen und Akteure aus verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten, oder die thematische Integration in bestehende Netzwerke kann dazu beitragen, Synergien zu nutzen und Ressourcen effektiv einzusetzen. Der Austausch von Best Practices und die gemeinsame Entwicklung von integrierten Strategien helfen Kommunen dabei, ihre Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Klimaanpassung besser auf die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen auszurichten.
Fazit
Die Herausforderungen des Klimawandels und der daraus resultierenden gesundheitlichen Risiken erfordern von den Kommunen ein besonderes Augenmerk auf die Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit. Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchtete müssen in die Planungen und Maßnahmenentwicklung der Kommunen einbezogen werden. Durch gezielte Maßnahmen, partizipative Ansätze und intersektorale Kooperationen können Kommunen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und gleichzeitig die Resilienz und Integration vulnerabler Gruppen zu stärken. Die Gesundheitsförderung muss dabei immer im Kontext von Klimaschutz und Klimaanpassung gedacht werden, um eine gerechte und nachhaltige Entwicklung auf kommunaler Ebene zu ermöglichen.
Literatur:
Balbus, J. M., & Malina, C. (2009). Identifying vulnerable subpopulations for climate change health effects in the United States. Journal of occupational and environmental medicine, 51(1), 33–37. doi: 10.1097/JOM.0b013e318193e12e
Bergmann, K.-C., Brehler, R., Endler, C., Höflich, C., Kespohl, S., Plaza, M., Raulf, M., Standl, M., Thamm, R., Traidl-Hoffmann, C. & Werchan, B. (2023). Auswirkungen des Klimawandels auf allergische Erkrankungen in Deutschland. Journal of Health Monitoring, 8(S4). doi: 10.25646/11648
Bolte, G., Dandolo, L., Gepp, S., Hornberg, C. & Lumbi, S. L. (2023). Klimawandel und gesundheitliche Chancengerechtigkeit: Eine Public-Health-Perspektive auf Klimagerechtigkeit. Journal of Health Monitoring, 8(S6). doi: 10.25646/11769
Brückner, H., Dietrich, K., Müller, C., Spreter, R., Raupach, K., Rink, D., Weiss, A. & Werner, P. (2016). Stadtnatur fördert sozialen Zusammenhalt. In R. Bartz, M. Brenck & I. Kowarik (Hrsg.), Ökosystemleistungen in der Stadt. Gesundheit schützen und Lebensqualität erhöhen (S. 126–145). Berlin und Leipzig: Technische Universität Berlin und Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.
Butsch, C., Beckers, L.-M., Nilson, E., Frassl, M., Brennholt, N., Kwiatkowski, R. & Söder, M. (2023). Gesundheitliche Auswirkungen von Extremwetterereignissen – Risikokaskaden im anthropogenen Klimawandel. Journal of Health Monitoring, 8(S4). doi: 10.25646/11646.2
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Gebhardt, N., van Bronswijk, K., Bunz, M., Müller, T., Niessen, P. & Nikendei, C. (2023). Scoping Review zu Klimawandel und psychischer Gesundheit in Deutschland – Direkte und indirekte Auswirkungen, vulnerable Gruppen, Resilienzfaktoren. Journal of Health Monitoring, 8(S4). doi: 10.25646/11650
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Umweltbundesamt (2023). Kommunaler Klimaschutz. Zugriff am 08.09.2024 unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/kommunaler-klimaschutz
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Winklmayr, C., Matthies-Wiesler, F., Muthers, S., Buchien, S., Kuch, B., Der Heiden, M. an & Mücke, H.-G. (2023). Hitze in Deutschland: Gesundheitliche Risiken und Maßnahmen zur Prävention. Journal of Health Monitoring, 8(S4). doi: 10.25646/11645
Autorin:
Hannah Lene Schreiber ist die Fach- und Vernetzungsstelle Gesundheitsförderung und Klimawandel bei der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAGE). Die Fach- und Vernetzungsstelle Gesundheitsförderung und Klimawandel wird durch das Hessische Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege im Rahmen des Klimaplans Hessen gefördert. Der Klimaplan Hessen führt im Handlungsfeld Gesundheit und Bevölkerungsschutz die Unterstützung der Vernetzung von Gesundheitsförderung und Klimaanpassung in Kommunen als eine Maßnahme auf.
Kontakt:
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