Unerfüllte Behandlungswünsche werden als entscheidender Indikator für Gleichberechtigung im Zugang zur Gesundheitsversorgung betrachtet. Bei jüngeren Menschen können sie zu schlechteren Gesundheitsergebnissen im Erwachsenenalter führen, bei älteren mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko einhergehen. Das Vorliegen einer Behinderung gilt als ein Risikofaktor für unerfüllte Behandlungswünsche.
Vor diesem Hintergrund wurden unerfüllte Behandlungswünsche von jüngeren und älteren Menschen mit geistiger, psychischer und mehrfacher Behinderung in einer Einrichtung in Essen im Rahmen einer qualitativen Pilotstudie untersucht.
Insgesamt sind elf Interviews Gegenstand der Analyse – davon fünf mit Menschen mit geistiger, psychischer und mehrfacher Behinderung, vier mit Betreuungspersonen sowie zwei mit Führungskräften. Die befragten Personen berichteten insbesondere im Bereich der ambulanten Versorgung über unerfüllte Behandlungswünsche: Hier spielen Wartezeiten und Mängel in der Behandlung sowie der Arzt-Patienten-Interaktion eine entscheidende Rolle. Letztere manifestieren sich in der Ignoranz gegenüber Patientenwünschen sowie im Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Die am häufigsten genannte Konsequenz unerfüllter Behandlungswünsche ist ein Arztwechsel.
Betreuungspersonen und Führungskräfte ergänzten mangelnde Partizipationsmöglichkeiten ihrer Klientinnen und Klienten am ärztlichen Gespräch sowie eine oftmals fehlende Aufklärung. Darüber hinaus zeigten sich Probleme bereits im Zugang zur Gesundheitsversorgung, da die Fähigkeit zum Erkennen und zur Artikulation von Beschwerden bzw. Behandlungswünschen oftmals eingeschränkt sei.
Die Ergebnisse geben Hinweise auf mögliche Defizite in der Gesundheitsversorgung jüngerer und älterer Menschen mit geistiger, psychischer und mehrfacher Behinderung. Konkrete Handlungsfelder sind die Steigerung der Kompetenz bei Leistungserbringenden im Hinblick auf die Versorgung von Menschen mit geistiger, psychischer und mehrfacher Behinderung mit ihren spezifischen Bedürfnissen sowie eine Anpassung der Arzt-Patienten-Interaktion.