Der Zugang zu angemessener gesundheitlicher Versorgung für Schwangere und Gebärende ist ein Menschenrecht und hat direkte Auswirkungen auf die Lebensqualität von gebärenden Personen sowie ihre gesellschaftliche Teilhabe. Das deutsche Gesundheitssystem ist von einem stetigen Personalmangel, Hierarchiestrukturen und einer enormen Arbeitsbelastung der Fachkräfte geprägt. Immer wieder berichten Fachkräfte und Personen, die eine Geburt erlebt haben, von mangelnder Versorgung, Gewalterfahrungen und Diskriminierung in der Schwangerenversorgung oder unter der Geburt. Besonders betroffen sind marginalisierte und minorisierte Personen, wie beispielsweise Black, Indigenous, People of Colour (BIPoC), trans*, inter* und andere queere Personen, Menschen, die in Armut leben, und Menschen mit Sprachbarrieren, Beeinträchtigungen oder Erkrankungen.
Das Projekt „Selbstbestimmung und Vielfalt in der Geburtshilfe“ des pro familia Bundesverbands, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“, möchte dem entgegenwirken. Verschiedene Veranstaltungen sollen Fachkräften der Schwangerenversorgung, Geburtshilfe und Wochenbettbetreuung sowie jungen Engagierten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte (SRGR) die Möglichkeit bieten, sich entsprechend einer reproduktiven Gerechtigkeit zu sensibilisieren. Das Projekt zielt darauf, vielfältige Bedarfe sichtbar zu machen und eine Debatte anzustoßen, um Fachkräfte zu sensibilisieren, sodass Gebärenden trotz struktureller Herausforderungen mehr Selbstbestimmung unter der Geburt ermöglicht, Gewalt im Geburtsumfeld reduziert und der Weg zu einer menschenrechtskonformen Geburtshilfe geebnet wird.
Das zweite Webinar im Rahmen dieses Projekts richtete den Fokus auf die Erfahrungen und Bedarfe von queeren Menschen im Kontext von Schwangerschaft, Geburt und früher Elternschaft. Mit etwa hundertfünfzig teilnehmenden Personen, von denen die meisten Fachkräfte aus der Schwangerenversorgung, Geburtshilfe und Wochenbettbetreuung waren, ist das dreistündige Webinar auf großes Interesse gestoßen. Die große Nachfrage und die
positiven Rückmeldungen deuten auf einen hohen Bedarf bei Fachkräften hin, sich bezüglich einer queersensiblen Arbeitspraxis weiterzubilden. Die Veranstaltungen innerhalb des Projekts haben primär die Sensibilisierung auf individueller Ebene zum Ziel. Doch der breite Wissenstransfer, der sich aus ihnen ergibt, kann auch Veränderungen auf struktureller Ebene anstoßen.